Von der derzeitigen
Politik kann man in Sachen Kommunikation etwas lernen. Zumindest in dieser
Hinsicht. Denn ansonsten schüttle ich häufig nur andächtig den Kopf. Fangen wir
am Anfang an. Es gibt unter PR-Beratern den „Leitsatz“, dass man in der
öffentlichen Kommunikation nicht immer alle sagen müsse, wenn aber, dann die
Wahrheit. Ein Paradebeispiel dessen, zeigte die deutsche Kanzlerin Angela
Merkel jüngst gegenüber der deutschen Presse und damit gegenüber ihrer
Bevölkerung. Neugierig?
„In
spätestens sechs Jahren tritt die Türkei der EU bei!“
Stellen Sie sich vor, Sie sind die Kanzlerin/der Kanzler der
Bundesrepublik Deutschland, Sie wachen morgens auf und Ihr Assistent wedelt
aufgeregt mit einer Presseauswertung, wonach der türkische Präsident Recep
Tayyip Erdoğan über seinen Diplomaten EU-Botschafter Selim Yenel ungeachtet der derzeitigen Situation und Kritik
öffentlich verlautbaren ließ, dass die Türkei in spätestens sechs Jahren
Mitglied der EU sein möchte. Die Verweigerung sei „langfristig nicht
akzeptabel“, was für mich nach ein wenig mehr als nach einer Bitte klingt. Gleichzeitig
fordere er die Kanzlerin auf, unverzüglich nach Ankara zu kommen. Aber klar,
pronto! Was macht man bzw. frau in diesem Fall? Gab es da nicht den
Kommunikationsansatz des Weglassens? Hat doch beim tantraartig vorgetragenen
„wir schaffen das“ auch funktioniert. Keine Antwort auf Probleme, stattdessen: „wir
schaffen das“.
Ablenkung
Als guter PR-Berater weiß man, wenn die Erfüllung anderer Ziele
im Vordergrund stehen, sollte man andere Wege als den direkten Konflikt zu
wählen. Doch was drückt die Kanzlerin? Sie ahnen es schon, es ist der
sogenannte Flüchtlingspakt, mit dem die Türken derzeit das Problem aus der Welt
zu schaffen scheinen, dass sich die Kanzlerin nolens volens selbst auf den
Rücken geschnallt hat. Getreu dem alten Beamtenmotto: „Wenn ich nicht will,
dass ich was tu, dann leit ich’s einem andren zu“ hat Angela Merkel denn nun
das „Problem“ Flüchtlinge dem sich als äußerst demokratisch gerierenden
türkischen Staat Türkei und ihrem neuen Freund Erdoğan zugeordnet – und irgendwie selbst vom Tisch.
Jedenfalls bemerke ich trotz kritischer Analyse der laufenden Presse kaum mehr
Beiträge über die Probleme in den „Auffanglagern“. Kein Wunder, ist den
deutschen Journalisten vermutlich der Zugang zu diesen inzwischen längst
verwehrt.
Was
also tun?
Um sich nicht selbst nicht in Bedrängnis zu bringen, immerhin
stehen selbst bei der sehr viel einfacheren Frage der Visafreiheit (als
Entgegenkommen für das Flüchtlingsproblem) alleine 72 ungeklärte Fragen im
Raum, wählt man zunächst eine Taktik, die ich gerne als Nebelbomben bezeichnet.
Diese besteht darin, allgemeines Blabla loszulassen und über ein Thema zu
sinnieren, das gar nicht auf der Agenda steht. Beispiel gefällig? Die Kanzlerin
sieht ein besonderes Verhältnis zur Türkei, „das wird auch so bleiben“. „Was das
deutsch-türkische Verhältnis besonders macht, sind die über drei Millionen
türkischstämmigen Menschen, die in Deutschland leben.“ Zwar gebe es auch
enttäuschende Beispiele offenbar nicht gelungener Integration. „Andererseits
wäre es ganz falsch, davon auf alle drei Millionen Türkischstämmigen in
Deutschland zu schließen“, so die Kanzlerin. Häh? Integration der Türken in
Deutschland war doch gar nicht das Thema? Es ging um den EU-Beitritt der Türken
nach einem Verhalten, das (hoffentlich) auch seitens der Kanzlerin nicht als
demokratisch und mit den Menschenrechten konform eingestuft werden kann. Sie
sehen, ein brillantes Beispiel „kommunikativer Höchstleistung“ in einer offensichtlich
aussichtlosen Situation: Ablenken, Nichtssagen und nicht aufs Thema gehen. Es
ist allerdings zu wünschen, dass derart verbale Ausfälle (?) immer mehr
Menschen wachrütteln, dass hier in einiges faul ist im Staate Dänemark. Um mal eine
schöne Redewendung aus dem ersten Aufzug von
William Shakespeares Tragödie Hamlet zu gebrauchen („Something is wrong in the state of Denmark).
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