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Donnerstag, 8. Oktober 2015

Michael Oehme, Schweiz: Emotionen erfassen

Damit zwei Menschen sich lieben lernen, müssen sie sich mit allen Sinnen (Sehen, Hören, Riechen, Tasten) erfassen. Genau genommen laufen in unserem Körper permanent hochkomplizierte Prozesse aus genau diesen „Bestandteilen“ ab. Das Wissen hierüber machen sich natürlich auch Marketingspezialisten zunutze.

Branding durch Emotionen
Ich möchte es an dieser Stelle noch einmal wiederholen: eine Marke, einen Brand positioniere ich in meiner Zielgruppe am ehesten dadurch, indem ich Emotionen wecke. Aus meiner Sicht zeigt dies derzeit am deutlichsten der Anbieter eines stark zuckerhaltigen, gewöhnungsbedürftig riechenden Power-Getränks (man muss den Namen nicht einmal nennen und jeder weiß trotzdem sofort, um wen es geht), der seinen „Flügel verleihenden“ Energietrink mit den wagemutigsten sportlichen Aktivitäten verbindet. Da wollen viele dabei sein und genau so wagemutig wirken. Jeder weiß, dass die Produktionskosten dieses Getränks im Centbereich liegen und viele Wissenschaftler davor warnen (die anregenden Inkredienzen halten sie für nicht mehr anregend als eine Apfelsaftschorle). Das hat dem Erfolg bisher in keiner Form geschadet (Umsatz 2014 immerhin 5.1 Milliarden Euro). Konsequenterweise hat man die eigentliche Produktion denn auch ausgelagert und konzentriert sich ausschließlich auf die Vermarktung.  

„Wie doll liebst du mich eigentlich?“
Wir wissen nun, wie wichtig Emotionen auch beim Online-Markenbranding sind und dass sich Wahrnehmungen messen lassen. Im vorangegangenen Beitrag haben wir damit begonnen, Möglichkeiten aufzuzeigen, wie man aus den Reaktionen von Probanden erfahren kann, welche Bestandteile einer Webside positive Reaktionen (= Emotionen) hervorrufen. Eine Möglichkeit ist das bereits dargestellte Eyetracking. Ist der Proband denn einmal verkabelt, wird auch seine Hautleitfähigkeit gemessen. Es handelt sich dabei um ein absolut unbestechliches Verfahren, das viel über Emotionen verrät. Starke Emotionen führen dabei zu starken Ausschlägen in der Messkurve. In Kombination mit dem Eyetracking (wie wissen gerade, wo er ist), lassen sich so Emotionen zuordnen. Der Nachteil: Durch Hautmessverfahren lassen sich lediglich Emotionen zuordnen. Ob diese nun positiv oder negativ sind, hierfür gibt es ein weiteres Verfahren.
Ein Gesichtsausdruck sagt mehr als 1000 Worte  
Es handelt sich um Microexpressionen, der Analyse des Gesichtsausdrucks. Auch auf dieses Verfahren kann der Proband keinen Einfluss nehmen, denn unser Gehirn (genauer gesagt das limbische System) kontrolliert unsere Gesichtsmuskeln in den ersten 40 bis 100 Minisekunden noch bevor unser Verstand sagen kann, dass es beispielsweise vielleicht jetzt nicht gut ist, die Stirn zu runzeln. Wissenschaftlich fundiert dargestellt wurden die Formen der Microexpressionen durch deren „Erfinder“, den Ethnologen Paul Ekman. Seine Ausführungen und Schlussfolgerungen sind bis heute unumstritten und werden in den veschiedensten Ausführungen an vielen Stellen eingesetzt. Wir werden im kommenden Beitrag auf die sieben Basisemotionen eingehen.  

Sehen und Fühlen
Inzwischen haben sich Unternehmen darauf spezialisiert, das Nutzerverhalten zu dokumentieren und zu interpretieren. Hierbei werden die „Probanden“ physisch gebeten, die entsprechenden Internetseiten zu nutzen. Dieser Prozess wird erfasst. Und zwar im Hinblick auf den Augenkontakt bzw. die Empfindungen. Was ein wenig nach Science Fiction klingt, nennt sich auch Brand Experience Analyse und beschreibt  zum Beispiel mit Hilfe des Eyetracking-Verfahrens, welchen „Augenverlauf“ die Probanden nehmen. Wichtig ist, wo sie in welcher Reihenfolge wie lange hinschauen. Durch parallele Gedankenprotokolle (der Proband ist verkabelt) erfährt man dann zum Beispiel, was der Proband vorhat, an welcher Stelle offensichtlich Probleme entstehen, wie diese gelöst werden usw. Kombiniert wird dieser Test durch die Messung der Hautleitfähigkeit bzw. – vereinfacht gesagt - durch die Veränderung des Gesichtsausdrucks. Auf diese Methoden, Emotionen zu erfassen, gehen wir im nächsten Beitrag ein. 


1 Kommentar:

  1. Wenn man das so liest, wird man doch sehr an brave new world erinnert. Wir Menschen scheinen ja nicht nur sehr durchschaubar zu sein, sondern auch noch einfach zu manipulieren. Ich weiß nicht, ob ich solche Tests gut finden soll.

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