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Donnerstag, 12. November 2015

Michael Oehme: Welchen Stellenwert hat die Ethik auf die Arbeit von Presseverantwortlichen

Heute wollen wir einmal auf ein ganz anderes Thema eingehen, auf das wir aufgrund eines Beitrags der beiden Experten Günter Bentele und René Seidenglanz aufmerksam wurden. Es geht ums Lügen oder um die Frage, wie weit kann Ethik gehen. Bentele ist emeritierter Hochschullehrer und war von 1994 bis 2014 der erste Lehrstuhlinhaber für Öffentlichkeitsarbeit/PR an einer deutschsprachigen Universität. Seidenglanz ist Vizepräsident der Quadriga Hochschule Berlin. Die Ausführungen basieren auf einer Umfrage.
 
Höhere berufsethische Verantwortung
Befragt wurden Kommunikationsverantwortliche in Unternehmen. Eine Mehrheit von 56 Prozent ist dabei der Meinung, dass ethische Herausforderungen zugenommen haben. Als Gründe werden angegeben: Compliance und Transparenzanforderungen zwingen zu höherer Vorsicht (71 Prozent), das Heranwachsen sozialer Netzwerke (64 Prozent) und schließlich die Globalisierung. Für uns zeigt sich dabei deutlich, dass die Akzeptanz von mehr Ethik im Job ein Ergebnis des Drucks von außen ist, nicht etwas, was aus eigener Überzeugung erwachsen ist. 


Lügen verboten
Dem Lügen in ihrem Job als Pressesprecher stehen dabei weiterhin 80 Prozent aller Befragten kritisch gegenüber. Nur fünf Prozent legitimieren es unter bestimmten Voraussetzungen. Lügen sei dabei verpönt, das Weglassen bestimmter Informationen – nicht die „ganze Wahrheit“ erzählen - akzeptiert. Erfragt wurden allerdings nur die Einstellungen. In der Realität kann dies ganz anders aussehen.
Schließlich wurden die Presseverantwortlichen zum Thema Koppelgeschäfte befragt. Hier ergibt sich anscheinend eine interessante Trendwende: Waren es vor 15 Jahren noch die Anbieter und deren Berater, die auf Koppelgeschäfte drängten, soll die Initiative heute zu 75 Prozent von Journalisten ausgehen. Ein Prozentsatz, der uns sehr verwundert hat. Rund die Hälfte der Kommunikationsverantwortlichen hält in so einem Fall Koppelgeschäfte für ethisch vertretbar. Günter Bentele und René Seidenglanz halten diese Entwicklung für ethisch äußerst bedenklich – allerdings im Hinblick auf die Kommunikationsverantwortlichen. Uns würde vielmehr interessieren, was Journalisten, wenn die Zahl stimmt, bewogen hat, einen der wichtigsten Grundsätze des Journalismus – den Trennungsgrundsatz – offensichtlich zu opfern. Das stimmt uns viel bedenklicher – und zwar nicht nur im Hinblick auf ethische Fragen.

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